Artikel RNZ vom 27.08.2011
Artikel der RNZ nach Presseerklärung des LRA Rhein-Neckar
Ein Bild von der Lage machte sich die SPD-Kreistagsfraktion am Mittwochabend in Edingen-Neckarhausen. Diplom-Biologe Jörg Dittrich (l.) erklärte die Missstände. Foto: Pilz
Von Nicoline Pilz
Edingen-Neckarhausen. Im Streit zwischen dem Obstbaubetrieb Hauck in Edingen-Neckarhausen und einer benachbarten Müllumladestation weist das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis jede Mitverantwortung von sich. Schadensersatzansprüche des Obstbaubetriebs wegen seiner Ernteausfälle durch Krähen und Kaninchen seien gegenüber dem Entsorgungsfachbetrieb Sita Suez auf dem Zivilrechtsweg und nicht gegenüber dem Landratsamt geltend zu machen. Das lässt die Behörde in einer Stellungnahme auf einen offenen Brief des Familienunternehmens Hauck an Behörde, Kreis- und Landtag wissen.
Gleichzeitig bestätigt das Amt, dass in der „jüngeren Vergangenheit teilweise Missstände“ bei Sita Suez herrschten. Das habe das Gewerbeaufsichtsamt bei Überprüfungen beanstandet und für Abhilfe gesorgt. „Noch umzusetzende Maßnahmen, die Aufstellung seitlich geschlossener Schüttboxen, werden Ende September von der Firma Sita Suez realisiert.“ Und: „Weitergehende Maßnahmen können aus Sicht des Landratsamtes nach geltender Rechtslage nicht verlangt werden, weil dies einen unzulässigen Eingriff in den bestandsgeschützten Gewerbebetrieb darstellt.“
Kurz im Rückblick: Aus dem einstigen Bauschutt-Recyclingbetrieb Seichter wurde über die Jahre eine Tochter von Sita Süd GmbH, wiederum eine Tochter des französischen Großkonzerns GDF Suez SA. Im Gewann „Die Milben“ in Edingen-Neckarhausen wird seit zwei Jahren kein Bauschutt mehr recycelt, stattdessen werden aber seit geraumer Weile in hohem Maße Abfälle aller Art zwischengelagert und zur Weiterverarbeitung umgeschlagen. Monatelang türmten sich dort riesige Abfallberge, darunter Siedlungsmüll mit Joghurtbechern, Marmelade- und Butterdöschen inklusive Resten.
Krähen siedelten sich auf der Deponie an, verschleppten die Abfälle in die benachbarten Felder und bedienten sich an der Apfelernte des Obstbaubetriebs, bei anderen Betrieben an Kürbissen. Auch Ratten vermehrten sich. Diplom-Biologe Jörg Dittrich vom Obstbaubetrieb Hauck, ein seit 400 Jahren bestehendes Familienunternehmen, zweifelt, ob Sita Suez für manche Abfallsorten überhaupt eine Genehmigung hat. Ihm entstand durch den Ernteausfall in zwei Jahren ein Schaden von rund 160 000 Euro, sagt er. Auf diese Summe will er Sita Suez verklagen. Sein Anwalt will beim Landratsamt die Genehmigung einsehen, die die Behörde dem Entsorgungsfachbetrieb vor Jahren erteilte. Dittrich ist der Auffassung, dass es sich dabei um eine Nutzungsänderung handelt. Und vor einer solchen Genehmigung hätten die Anwohner gehört werden müssen.
Das Landratsamt verweist auf die ständige Rechtsprechung der Zivilgerichte, wonach für staatliche Einrichtungen keine Verpflichtung bestehe, Bürger vor dem Verlust von Betriebseinnahmen zu schützen, die ihnen durch wild lebende Tiere entstehen können.
Vielmehr müssten sich landwirtschaftliche Obstbaubetriebe selbst schützen. Dittrich und seine Ehefrau, Betriebsinhaberin Isabelle Hauck, sehen die Behörde aber in der Mitschuld: Durch die erweiterte Betriebsgenehmigung für Sita Suez sei der Krähenschwarm erst gezüchtet worden. Über Art und Umfang der Genehmigung schweigt sich das Landratsamt aus. Stattdessen ließ der Erste Landesbeamte Joachim Bauer wissen, es handele sich bei dem Krähenschwarm, dem nicht einmal die Jagdpächter beikommen, um „eine natürliche Population“. Eine Population, die die Existenz des Betriebs bedroht.